In Erstorientierungskursen bekommen Geflüchtete das Handwerkzeug präsentiert, das ihnen den Alltag in Deutschland erklären, näherbringen und erleichtern soll. Neben Exkursionen in deutsche Supermärkte und Busfahrten lernen sie in den Kursen auch das Einmaleins der deutschen Sprache. Und bekommen einen Eindruck, was es heißt, in Deutschland zu leben.
Wenn Geflüchtete in den Außenstandorten der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf oder Doberlug-Kirchhain ankommen, haben sie meist einen langen und schweren Weg hinter sich gelassen, um dort und in Deutschland anzukommen.
Für die meisten, die zum Teil aus Kriegsgebieten geflohen sind, stellt die neue Heimat und das neue Umfeld eine enorme Herausforderung dar. Vor allem die Sprache – also Deutsch – nicht sprechen zu können, erschwert den Lebensalltag enorm. Wie also Geflüchteten das Ankommen in Deutschland erleichtern? Eine Antwort darauf sind die sogenannten Erstorientierungskurse, kurz: EOK-Kurse.
Diese finden auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete statt und können freiwillig besucht werden. Das Ziel: Ihnen Themen des Alltags in Deutschland zu präsentieren und beim Kennenlernen der neuen Umgebung helfen, wo dies möglich ist: Welche lokalen Besonderheiten gibt es? Wie funktioniert die medizinische Versorgung? Was gibt es beim Einkaufen zu beachten? Auch das Lernen der deutschen Sprache spielt in den EOK-Kursen eine große Rolle.
Arbeit mit Geflüchteten „gibt mir unheimlich viel zurück“
„Die Geflüchteten, die allgemein etwa sechs Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung sind, lernen Deutschland bei uns in verschiedenen Modulen kennen“, sagt Günter Falkenhahn. Er ist Koordinator der EOK-Kurse in der Einrichtung in Doberlug-Kirchhain.
Insgesamt sechs EOK-Kurse finden gleichzeitig statt. Ein Kurs umfasst 20 Stunden pro Woche über einen Zeitraum von rund vier Monaten. Meist besteht ein Kurs aus 15 bis 18 Teilnehmenden. Als Koordinator kümmert er sich um das Drumherum der Kurse, also: die Lehrkräfte, das Material, Abrechnungen, die Ausstattung der Räume.
Fällt eine Honorarkraft kurzfristig aus, springt er in EOK-Kursen ein und gibt Kurse. Seit 2018 ist er Mitarbeiter der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg. „Ich fand es spannend und wollte unbedingt mit Geflüchteten arbeiten. Ich hatte das Gefühl, dass genau diese Arbeit mich erfüllen könnte“, sagt Günter Falkenhahn. „Und das Schöne ist: Ich habe richtig gelegen. Es ist beeindruckend, wie unheimlich viel mir die Arbeit zurückgibt.“
Heraufordernde Sprachvermittlung für EOK-Lehrkräfte
Die größte Motivation seiner Arbeit schöpft er daraus, wenn Bewohnende wachsen, besser werden und alles ihnen Mögliche in Bewegung setzen, um sich selbst einen Alltag in Deutschland zu gestalten, ein Leben aufzubauen. Trotz aller Sorgen und Probleme, die sie zum Teil mit in die Erstaufnahmeeinrichtungen bringen: „Manche haben ihre Familie verloren, haben psychische Traumata zu verarbeiten, sind in großer Sorge wegen ihres unsicheren Aufenthaltsstatus. Andere kommen aus Ländern, in denen sie nicht das lateinische Alphabet gelernt haben“, sagt Günter Falkenhahn.
Das sei sowieso eine der größten Herausforderungen in den EOK-Kursen: die Sprachvermittlung. In den Kursen kann es vorkommen, dass Menschen mit verschiedenen sprachlichen Voraussetzungen diese machen, aber die Lehrkräfte alle gleich bedienen, fordern und fördern sollen.
Geflüchtete helfen Lehrkräften in EOK-Kursen
Was EOK-Kurse und die Arbeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen bewegen können, weiß Günter Falkenhahn, wenn er über sein Ausnahmetalent spricht: Yazeed Mubarak. Yazeed Mubarak kam als Geflüchteter aus dem Sudan in die Erstaufnahmeeinrichtung und arbeitet mittlerweile als administrativer Verwalter in der Einrichtung. „Er ist eine riesengroße Hilfe und so ein schlauer Typ. Das ist es eben: Unter den Bewohnenden sind so einige studierte, kluge Menschen, die große Lust haben, sich in Deutschland zu verwirklichen“, sagt er.
Manche, die ihre EOK-Kurse abschließen und weiter in der Erstaufnahmeeinrichtung leben, unterstützen später die Lehrkräfte in den EOK-Kursen. Sie geben anderen Geflüchteten Hilfestellungen, die ihnen selbst beim Ankommen in Deutschland geholfen haben. „Das schafft eine ganz andere Motivation in den EOK-Kursen. Allein, wenn sie ihnen damit die Angst vor der deutschen Sprache nehmen können, ist das von unschätzbarem Wert. Denn Deutsch ist der Schlüssel für jeden, um sozial in Deutschland anzukommen“, sagt Günter Falkenhahn.
„Es ist so wichtig, sich um die Menschen zu kümmern“
Auch außerhalb der Kurse hat er immer ein offenes Ohr für die Bewohnenden, hilft beim Ausfüllen von Behördendokumenten wie Arbeitserlaubnissen, Umverteilungsanträgen. „Es ist so wichtig, sich um die Menschen zu kümmern. Es ist mein persönlicher Ansporn, sie in Lohn und Brot zu bringen“, sagt der 58-Jährige.
Umso mehr wurmt es ihn, wenn hochtalentierte und clevere Bewohnende, die sich engagieren wollen, auf Transfer in die Brandenburger Kommunen gehen und dann die Förderung, die sie in der Erstaufnahmeeinrichtung erhalten haben, ins Stocken gerät oder ausbleibt. „Wenn ich einen Wunsch für die Geflüchteten frei hätte, wäre es, die Übergänge zwischen Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften zu verbessern“, sagt er.
Günter Falkenhahn ist sich sicher: Verbessern sich die Übergänge, fassen die Menschen auch in den Kommunen schneller Fuß, identifizieren sich mit ihrer Umgebung, hängen sich rein, wo Hilfe nötig ist – und bauen sich Stück für Stück ein eigenes Leben in Deutschland auf.