Vor zweieinhalb Jahren entschied sie sich auf einer Urlaubsreise nach Deutschland, hier Asyl zu beantragen. In ihrem Heimatland Südafrika hatte sie sich zunehmend um ihre Sicherheit gesorgt. Heute arbeitet sie als Hausbetreuerin bei der DRK Flüchtlingshilfe Brandenburg in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Wünsdorf:Uns hat unsere Mitarbeiterin ihre Geschichte erzählt.
Zwei Jahre und sieben Monate. So lange ist es her, dass Linda S.* auf dem Flug nach Deutschland darüber nachdachte, wie es wäre, in diesem Land Asyl zu beantragen. Mit ihren zwei Töchtern hatte sie drei Wochen Urlaub in Deutschland geplant, die beiden ahnten nichts von den Plänen ihrer Mutter. Linda S. kehrte nicht in ihr Heimatland zurück. Sie kam zu dem Schluss, dass es sicherer für sie ist, in Deutschland zu bleiben.
Über Frankfurt am Main, Braunschweig und Hannover kamen Linda S. und ihre jüngere Tochter in die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Wünsdorf. Ihre ältere Tochter, damals 19, kehrte allein zurück nach Südafrika. Sie war zu der Zeit mitten im Studium, wollte dies beenden, einen Master machen. In Deutschland hätten ihr dafür die Sprachkenntnisse gefehlt, sagt ihre Mutter.
Von Bewohnerin und Repräsentantin übers Ehrenamt zur Festanstellung
Linda S. war in ihrer Zeit als Bewohnerin der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf Repräsentantin für Bewohnende aus afrikanischen Ländern: Wenn es in diesen Gruppen Probleme gab, schritt sie ein, kümmerte sich, vermittelte. Später, als sie schon in einer kommunalen Gemeinschaftsunterkunft lebte, kehrte sie als Ehrenamtliche nach Wünsdorf zurück. Seit Juni arbeitet sie festangestellt als Mitarbeiterin der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg im Team der Hausbetreuung der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf. „Mein Wunsch war es, mit Menschen zu arbeiten. Um etwas zu bewirken“, sagt sie.
Gefragt nach den Gründen für ihre Entscheidung in Deutschland Asyl zu beantragen, gibt Linda S. zwei Antworten. Eine, die kurz ihre Geschichte umreißt: In ihrer Heimat Südafrika arbeitete Linda S. bei einer Organisation für Geflüchtete in einer hohen Position. Nachdem ein Interview mit ihr im südafrikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, sah sie ihre Sicherheit bedroht. Zu Details möchte sie sich deswegen nicht äußern. Nur so viel: „Ich war zu sehr auf Seiten der Geflüchteten“, sagt sie. Zumindest aus der Sicht vieler Menschen in Südafrika: Fremdenfeindlichkeit sei ein massives Problem in dem Land.
In Deutschland überwiegt das Gefühl von Sicherheit und Friedlichkeit
Die andere Antwort betrifft Deutschland als ein Land, das Sicherheit verspricht. Das Gefühl von Sicherheit und Friedlichkeit in Deutschland macht Linda S. Mut. Hier hat sie keine Angst, wenn sie bei Dunkelheit nach Hause geht. Hier muss sie sich nicht fürchten, wenn sie der Polizei begegnet. In Südafrika, sagt Linda S., sei die Polizei kein Garant für Schutz. Sie spricht auch von Polizeigewalt.
„Ich bin eine von denen, die das Glück hatten, dort wegzukommen, um hier etwas Neues zu beginnen“, betont sie. Ihre eigene Erfahrung als ehemalige Bewohnerin der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Wünsdorf hilft ihr bei ihrer Arbeit als Hausbetreuerin. Sie kann sich gut einfühlen in die Situation der Bewohnenden. Vieles, was sie durchleben, was ihnen Sorge bereitet, hat sie selbst erlebt. Auch, dass Sprachbarrieren zunächst oft unüberwindbar scheinen.
„Ich konnte selbst kein Deutsch. Aber ich habe gelernt zuzuhören“, sagt Linda S. „Oft versteht man die Sprache nicht, aber die Körpersprache sehr wohl.“ Dass sie als Hausbetreuerin so viel über andere Menschen und Kulturen lernt, ist für sie sehr erfüllend.
"Das erste Jahr war sehr schwierig"
Und dennoch ist sie nicht frei von Sorgen, von Ängsten, von Trauer: Da ist ihre Familie in Südafrika, die sie vermisst. Da ist ihr Mann, mit dem sie „jeden einzelnen Tag“ in Kontakt steht. Da ist ihre jüngere Tochter, heute fast 15 Jahre alt, die mit ihr in Deutschland geblieben ist und Rassismuserfahrungen unter anderem in der Schule gemacht hat. Linda S. sagt über sich, sie sei keine Person, die zu negativen Gedanken neige. Aber das Trauma, der Druck, der Schmerz – das alles machte auch vor ihr nicht halt: „Das erste Jahr war sehr schwierig.“
Was würde passieren, wenn sie nach Südafrika zurückkehrte? Darüber möchte sie nicht nachdenken, sagt Linda S.
Arbeitserlaubnis für drei Jahre - was dann kommt, ist unklar
Derzeit hat sie eine Arbeitserlaubnis für drei Jahre in Deutschland. Wie es danach weitergeht, ist unklar. Aber Linda S. ist geduldig. Sie weiß, dass Asylverfahren lange dauern können und mit viel Unsicherheit verbunden sind. „Es ist oft nicht einfach“, sagt sie. Aber ihre Kolleginnen und Kollegen von der DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg machen ihr Mut. „Wenn jemand etwas in dir sieht, was du selbst nicht siehst, gibt das Hoffnung.“
Diese Erfahrung will sie mit den Geflüchteten, die sie in der Erstaufnahmeeinrichtung in Wünsdorf als Hausbetreuerin nun selbst mitbetreut, teilen. „Ich möchte die Menschen zum Lächeln bringen, ein Hoffnungsschimmer für sie sein“, sagt Linda S. Sie würde die Menschen gern motivieren, durchzuhalten und den Mut nicht zu verlieren – und sich dabei nicht von Sprachbarrieren aufhalten zu lassen. Linda S. sagt: „So jemand wäre ich gern für die Menschen hier. Das ist mein Traum.“
*Linda S. ist nicht der richtige Name unserer Mitarbeiterin. Aufgrund ihres derzeitigen Aufenthaltsstatus haben wir den Namen unserer Mitarbeiterin zum Schutz ihrer Person geändert. Ihr tatsächlicher Name ist uns bekannt. Auf Fotos haben wir ebenfalls zum Schutz der Persönlichkeitsrechte unserer Mitarbeiterin verzichtet und stattdessen ein Symbolbild verwendet.
Symbolbild: Oana Bara/DRK